Die Tränen der digitalen Alchemie

Wer meine mittlerweile fast 400 Arbeiten im Zusammenhang betrachtet wird sich sicherlich fragen, was das alles als Konzept eigentlich zusammenhält, und warum ich hauptsächlich digital arbeite. Hat das eine eigentlich auch etwas mit dem anderen zu tun?Ich arbeite hauptsächlich digital, weil es mir mehr Möglichkeiten bietet als dies analog mit den klassischen Mitteln funktionieren würde.

Die Arbeit mit dem Computern und seinen Programmen, dem überall dahinter sich verbergenden geheimnisvollen Algorithmus, ist zu dem ein Arbeiten, in dem wie ich es nenne “dunklen Trieben der Maschine”. Der Computer bietet ein Füllhorn an fast unerschöpflichen Möglichkeiten und ist heutzutage in der Lage alles möglich zu machen was der menschlichen Imaginationskraft entgegentritt. Das Gros der Künstler die heute mit dem Computer arbeiten, tun dies allerdings eher in der Art und Weise, dabei die klassischen Techniken zu imitieren als sie wirklich intuitiv zu nutzen.Die klassischen mittelalterlichen Alchemisten haben weniger tatsächlich in der Materie gearbeitet als im Geiste. Ihnen ging es nicht um die Herstellung von fassbarem Gold, sondern um die Extraktion eines Goldes, das aus der Seele stammt. Dieses Gold nennt man auch den Homunculus.

Er ist ein künstliches Wesen wie der Golem oder das Monster aus Mary Shelleys Frankenstein.  Wie ich im “1. Manifest des Polygonismus” 2003 schon schrieb geht es heutzutage eigentlich immer nur darum die Wirklichkeit noch wirklicher darstellen zu können, sie aber nicht nur zu imitieren, sondern auch zu manipulieren. Real Time Face to Face Technologien bieten heute schon die Möglichkeit durch Identiäts High Jacking einem Menschen die Worte einer völlig anderen Person nachsprechen zu lassen. Hyperfotorealistsiche Style Transfer Technologien können Bilder per One Klick den Duktus von anderen Kunststilen übertragen. Der Identitäsverlust den wir jetzt schon dadurch erleiden nimmt Dimension an die wir nicht im Ansatz heute erahnen können.

Ich arbeite trotzdem mit all diesen Technologien weil ich sie imaginativer und triebhafter benutze. Ich versuche ihnen gar nicht erst Herr zu werden, sondern opfere mich ihrem Algorythmus fast völlig. Wie der polnische SF Kult Autor  Stanislaw Lem schon prophetisch in seiner  "Summa Technologia" schrieb, ist es entscheidend den menschlichen Faktor aus dem Prozess, durch Zurücknahme des eigenen Willens langsam herauszuextrahieren. Nicht die Zugabe der eigenen Alltagsidentität, sondern das Hinzufügen des “dunklen Triebes” des Menschen kann die Bestie Maschine zähmen und sie unter Kontrolle bringen. Und das ist das große Narrativ was meine Arbeiten wieder inhaltlich auch miteinander verbindet.

Überall geht es um die Entfesselung der Triebe zwischen Natur, Mensch und Maschine.  Die Serie ULTRAEROTICON bildet die Quintessenz diesen Bestrebens. Hier prallen all diese dunklen Kräfte ungezügelt aufeinander. Die heimlichen, eben ungezügelten und erotischen Beziehungen zwischen Mensch und Natur (hier das Tier) finden dabei immer vor einem postapokalyptischen Szenario (Maschine) statt. Alles ist einem bestimmten, formalen und streng symmetrischen Ordnungsprinzips unterzogen, um so Trieb und Vernunft immer irgendwie im Gleichgewicht zu halten. Die Sujets dieser Serie sind Nacktheit, Entblößung, Erotik, Tod und deren ekstatische Zustände.

Erotik verstehe ich allerdings in diesem Zusammenhang eher so wie es der französische Philosoph George Batailles es in seinem letzten Werk, den “Tränen des Eros” versteht. Nämlich als eine Erfahrung der Transgression, in welcher das Bewusstsein nicht mehr über sich selbst verfügt, sondern sich in einer Bewegung der Verausgabung überlässt.Wie Bataille in den Tränen des Eros weiterschrieb. “Der Mensch ist ein Wesen der Grenze, er erschafft sich die Welt der Arbeit, der Vernunft und Erkenntnis (die Welt des knechtischen Bewusstseins), trägt aber das Bewusstsein des Todes in sich; dessen Präsenz er mit Tabus und Verboten belegt, dessen Signatur aber auf dem Grund seines Bewusstseins eingeschrieben ist und dessen Gewaltsamkeit er sich nicht entziehen kann, da sie die Chiffre seines eigenen Begehrens ist.”  - dorthin soll all mein Bestreben auch uns führen.

Write a comment

Note: HTML is not translated!